Pazooki, Leila »Moments of Glory« (2010). Installation view. Detail. © Leila Pazooki
Eigentlich suchten Gareth Lloyd and Tom Martin ein digitales Mash Up, das eine visuelle Weltgeschichte in 100 Sekunden erzählen kann. Was ihre Computer fanden, nachdem sie mehr als 15.000 historischen Daten aus der Online-Enzyklopädie Wikipedia ausgewertet und auf einer Weltkarte verortet hatten, war etwas anderes: Fragt man die Internet-Datenbank, so dauerte es nach dem frühesten verzeichneten Ereignis mehr als 1.100 Jahre bevor etwas von historischer Relevanz außerhalb Europas passierte. Die Idee, dass Geschichte die Welt mit ,reinem Blick‘ beschreiben könnte, neutral und objektiv ist, ist in der Geschichtswissenschaft schon lange umstritten. In der Kunstgeschichte jedoch, in Europa eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, fragte sich lange niemand, wessen Geschichte der Kunst man eigentlich schrieb.
Heute dagegen ist die Frage Is this your history? in der Kunst vielfach präsent: So fragt etwa der karibische Künstler Tirzo Martha, ob seine Kunst seine eigene Geschichte erzählt oder ob vielmehr die eines anderen an seinem Kunstverständnis mitschreibt, wenn er in The Invasion of The Netherlands supported by Chavez (2008) mit Ikea-Möbeln das Erbe des Kolonialismus in seine Installationen einarbeitet. Ob man überhaupt zeitgenössische Kunst produzieren kann, ohne nach der Anerkennung der westlichen Kunstwelt zu heischen, fragt die Arbeit Moments of Glory (2010) der iranischen Künstlerin Leila Pazooki. Zwischen Spott und Kapitulation zitieren die Neonlettern ihrer Lichtinstallation hinkende Vergleiche zwischen den Ikonen der westlichen Kunstwelt und Künstlern der Peripherien. Gleichzeitig wird die Fragwürdigkeit von nationalen oder kulturellen Kategorien immer dort sichtbar, wo die gängigen 'born-in'/'based-in'-Formulierungen in den Biografien von Gegenwartskünstlern die Kunstkritik ins Stolpern bringen. Und wenn man beobachtet, wie Museen in aller Welt kaum noch nachkommen, Kuratorinnen und Kuratoren aus aller Welt nach den Kunstwelten aller Welt zu befragen, stellt sich grundsätzlich die Frage, wer heute legitim über wessen Geschichte der Kunst sprechen kann.
Kommentare
In Bezug auf die Kunstgeschichte stellt sich, wie ich finde, vor allem die Frage, ob eine globale Kunstgeschichte nach dem Modell der modernen westeuropäische n Kunstgeschichte - die ja nur im Ausschlussverfa hren praktisch möglich war - überhaupt noch erstrebenswert ist oder nicht vielleicht ein neues Modell nötig ist.
Anlässlich einer Kritik an The Global Contemporary auf ,Universes in Universe‘ stellte sich deine Frage auch gerade in der Facebook Gruppe (hier: http://www.facebook.com/groups/157711127639092/) und interessant hierzu sind auch Hans Beltings Überlegungen zur globalen Kunstgeschichte , wie er sie z.B. hier: http://globalartmuseum.de/media/file/476716148442.pdf und hier: http://www.youtube.com/watch?v=uLvFavurQBE kurz ausführt.
Frauke
im Rahmen einer Seminararbeit, möchte ich folgende Frage in den Raum stellen.
Ist es überhaupt möglich eine globale Kunstgeschichte zu schreiben, wo keine Nation oder Kontinent diskriminiert wird?