ZKM | Museum für Neue Kunst, 17.09.2011 – 05.02.2012
 
Ruth Sacks
* 1977 in Port Elizabeth (ZA), lebt und arbeitet in Kapstadt (ZA)

Legend Neutral, 2011

Anzeige im Offenburger Tageblatt, Größe variabel
1000 x A0 schwarz-weiß-Poster
Zeichensatz von Avoid Red Arrows

Diese Arbeit hat die Gestalt einer Legende, die in Volapük verfasst ist, einer von Johann Martin Schleyer 1879 erfundenen Plansprache. Volapük war als eine ergänzende globale Sprache gedacht, als eine Lösung für die Probleme vielsprachiger internationaler Kommunikation und Wirtschaft.
Ich habe versucht, einen Text in Volapük zu schreiben, indem ich ein Handbuch und ein Wörterbuch von 1988 benutzte. Dieser Text wurde durch Jean-Claude Caraco in ein korrektes Volapük übersetzt, wie es dem späten 19ten Jahrhundert entsprach. Lusag Plana Rigik (Die Geschichte der Urpflanze) wurde anschließend als eine Serie von Postern produziert, die in der Ausstellung The Global Contemporary: Kunstwelten nach 1989 am ZKM | Museum für Neue Kunst gezeigt werden.
Am 16ten Dezember 2011 wurde die Erzählung ebenso im Anzeigenteil des Offenburger Tageblatts veröffentlicht. Dies ist eine deutsche Regionalzeitung, die seit 1812 erscheint. Sie wird in Baden-Württemberg vertrieben, der Region, in der Schleyer lebte (in der Stadt Konstanz). Auch das Karlsruher ZKM steht in dieser Region.
Die Schriftgestalter Avoid Red Arrows wurden beauftragt, einen Schriftsatz zu entwickeln, der den besonderen Anforderungen und dem historischen Kontext von Volapük entspricht. Die so entstandene Schrift Plan wurde für die gesamte Gestaltung des Projekts verwendet.
Vielen Dank an: Akvile Eglinskaite, Jean-Claude Caraco, Peter Stahmer, Cedric Vincent, Jacob Birken und Antonia Marten für die Überstunden, die sie an diesem Projekt arbeiteten.



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Poster auf Basis einer in Volapük verfassten Erzählung unter dem Titel Die Geschichte der Urpflanze. Design und Text von Ruth Sacks, Typographie von Avoidredarrows. Übersetzung in Volapük durch Jean-Claude Caraco.

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Anzeige im Offenburger Tageblatt am 16. Dezember 2011 auf Basis einer in Volapük verfassten Erzählung unter dem Titel Die Geschichte der Urpflanze. Design und Text von Ruth Sacks, Typographie von Avoidredarrows. Übersetzung in Volapük durch Jean-Claude Caraco.

Die Geschichte der Urpflanze

Ein weiser Mann liebt die Menschheit und Natur. Er glaubt, dass beide gänzlich durch Gott verbunden sind. Der weise Mann glaubt auch, dass eine Einheit in der Natur existiert; dass sie aus einem fundamentalen Muster besteht, das sich kontinuierlich wiederholt. Er schreibt Gedichte und Literatur über seine Ideen.
Der weise Autor träumt über eine Urpflanze, die seine Überzeugungen abbildet; die Pflanze beinhaltet den grundlegenden Entwurf für alle Pflanzen in der Welt. Er beschreibt seine Pflanze wie folgt:

Die Urpflanze ist der Ursprung aller Pflanzen. Sie besitzt einen üppigen zentralen Stiel, der robuste Blumen und deren Staubbeutel trägt. Blätter sprießen aus dem Stiel. Die Wurzeln der Pflanze erwähnt der weise Mann nicht.

Viele Leute versuchen, die perfekte Pflanze zu zeichnen. Auf den Illustrationen verschiedener Menschen verändern sich die Formen der Wurzeln und Blätter. Der Stiel ist in jedem Bild gleich. Der weise Mann findet, dass die Zeichnungen zu eindeutig sind. Für ihn ist die perfekte Pflanze ein Ideal, noch ohne exakte Form. Nichtsdestotrotz suchen der weise Autor und seine treuen Schüler nach der Urpflanze, wenn sie an verschiedene Orte gelangen. Sie reisen viel, um die Natur zu würdigen. Während dieser Reisen suchen Sie die wilden Gegenden verschiedener Länder ab. Der weise Mann denkt, Italien sei der fruchtbarste Ort, den er je gesehen hat. So gelangt er zu der Überzeugung, dass die Urpflanze in diesem temperierten Land sei. Aber niemand entdeckt eine solche Pflanze in Italien, noch anderswo.

Jahre vergehen. Der große Mann wird älter und weiser. Er sagt, dass die perfekte Pflanze wahrscheinlich eine Beschreibung einer einfachen Blätterform war. Folglich kann sie in allen Pflanzen gefunden werden.

Einhundert Jahre später verehren viele Menschen den weisen Mann. Er ist der Held der Naturalisten, Wissenschaftler, Philosophen und Autoren, die seinen Schriften folgen. Ein Naturalist, welcher ein besonders treuer Anhänger des weisen Mannes ist, glaubt, dass die Urpflanze existiert. Die Pflanze könnte möglicherweise seine Antworten für das Welträtsel illustrieren. Der Naturalist will auch beweisen, dass Menschheit und Natur gänzlich miteinander verbunden sind, weil er eine persönliche Tragödie erlebt hat und nun Trost sucht.

Er glaubt, dass sich alles in der Welt aus einem Ursprung entwickelt hat. Dieser Ursprung pflanzte sich fort und erzeugte weitere Lebensformen, die ihm selbst ähnlich sind. Die nächsten Generationen pflanzten sich ebenso fort, und dieses System bestand für Millionen von Jahren. Der Naturalist glaubt, dass die neuen Lebensformen allmählich wuchsen und sich veränderten, sich mit jeder neuen Generation leicht verbesserten, so dass die Welt von Heute, mit all ihren Pflanzen und Tieren sowie ihren Menschen, in Erscheinung trat. Diese revolutionäre Idee stammte von einem Engländer; einem Gleichgesinnten des Naturalisten, den er auch verehrt. Der Engländer drückt seine Ideen vorsichtig aus, während der Naturalist kühner und energischer in seinen Ansichten ist.

Falls die Urpflanze des Naturalisten existiert, könnte er beweisen, dass alle Pflanzen von einem Ursprung abstammen. Wenn alle Pflanzen von einem Ursprung stammen, dann, denkt er, stammen ebenso alle Menschen von einem Ursprung ab. Die geliebte junge Frau des Naturalisten ist vor Kurzem gestorben. Wenn eine Grundform innerhalb aller lebenden Dinge gefunden wird, kann er im Wissen Trost finden, dass sich ihr Leben in der unendlichen Vielfalt von Mustern in der Natur fortsetzt.
Die Vorstellung der Urpflanze des Naturalisten unterscheidet sich von der des weisen Mannes. So beschreibt er sie folgendermaßen:

Die Urpflanze ist eine Tierpflanze aus dem Meer. Die Tierpflanze besteht aus verschiedenen durchlässigen Teilen mit vielen Knospen und Zweigen. Sie sieht aus wie eine Gruppe von weichen Gemüsen und Knollen. Große und kleine Löcher bedecken alle Bereiche der Tierpflanze. Dies sind die Münder der Pflanze. Diese perfekte Pflanze ist die vorzeitliche Mutter der Tierpflanze.

Der Naturalist und seine treuen Schüler suchen inbrünstig in vielen Teilen des Meeres nach seiner Urpflanze. Sie suchen die wilden Küsten verschiedener Länder ab, aber nie entdecken sie eine solche Pflanze.
Der Naturalist hält am Glauben fest, dass die Urpflanze existiert und fängt an, sie zu zeichnen. Er behauptet, dass seine Zeichnungen eine existierende Tierpflanze abbilden. Der Naturalist hält viele Vorträge über die Pflanze und über seine Theorien, die mit den Ideen des weisen Mannes und des Engländers korrelieren. Er produziert viele Zeichnungen, die seine Vorträge begleiten. Diese sind sehr schön und reich ornamentiert. Die Zeichnungen und Theorien des Naturalisten werden in populären Büchern veröffentlicht.
Zunächst lieben viele Menschen die Bücher des Naturalisten. Die allgemeine Öffentlichkeit glaubt, dass die Bücher Informationen enthalten, die normalerweise nur für Wissenschaftler und Naturalisten zu sehen sind. Der Naturalist wird berühmt. Seine Illustrationen liefern Inspiration für Künstler, die die organischen Details sowie die exzellenten beobachterischen Fähigkeiten des Naturalisten bewundern.
Aber viele angesehene Wissenschaftler und Naturalisten sagen, dass diese Urpflanze nicht existiert und somit die Illustrationen des Naturalisten eine Lüge sind. Sie behaupten, dass die Illustrationen beweisen, dass der Naturalist ein Hochstapler ist. Einige seiner Schüler bestätigen, dass niemand jemals diese Urpflanze gefunden hat.
Der Naturalist ist überzeugt, dass er Recht hat und die Kritiker lediglich neidisch auf seinen Erfolg sind. Viele boshafte Auseinandersetzungen folgen. Der Engländer unterstützt den Naturalisten, aber warnt, dass dieser seine Meinungen zu energisch kund getan hat.
Der Naturalist sucht weiter nach seiner Urpflanze. Während dieser Nachforschungen entdeckt er eine große Anzahl sehr kleiner Meeres-Pflanzen und Tierformen, die vorher nicht bekannt waren. Der Naturalist klassifiziert seine neuen Entdeckungen und benennt sie zu Ehren seiner verstorbenen Frau. Er fährt damit fort, seine Bücher mit den Illustrationen von Pflanzen- und Tierformen zu veröffentlichen. Diese schönen Bilder illustrieren seine Theorien sehr gut, sind aber nicht immer genaue Kopien nach dem wirklichen Leben. Folglich interpretieren viele Menschen seine Zeichnungen als betrügerisch. Der Fluch der Kontroverse verfolgt den Naturalisten noch sein ganzes Leben.

Jahre vergehen. Der Naturalist wird alt. Seine Urpflanze wird nie gefunden. Die Feinde des Naturalisten benutzen immer noch seine Zeichnungen als Ziele ihrer verbalen Angriffe. Bis zu diesem Tag bleibt der Naturalist für seine angeblich betrügerischen Zeichnungen in Erinnerung, statt für seine wertvollen Beiträge zur Erforschung der Natur.

Übersetzung durch Anne M. Buenker

Weitere Informationen zu Volapük und Sprachfragen zur Zeit seiner Entwicklung finden sich auf der folgenden Seite.