Zhou Tiehai |
* 1966 in Shanghai (CN), lebt und arbeitet in Shanghai (CN)
Will/We Must, 1996 Über Kunst und Leben wurden schon viele Geschichten erzählt; das (zumeist männliche) Künstlerego im Kampf um Anerkennung und authentischen Ausdruck hat den dramatischen Stoff für zahlreiche Romane und Filme geliefert. In der zeitgenössischen Kunst, die eine Analyse ihrer eigenen Bedingungen und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung in den Vordergrund stellt, spielen solche Klischees seltener eine Rolle. Dies heißt jedoch lange nicht, dass Konflikte hier nur noch auf der Ebene des Diskurses stattfinden. In seinem Video Will/We Must zeigt Zhou Tiehai Episoden aus dem Dasein in der zeitgenössischen Kunstwelt, in denen es durchaus emotional und schicksalhaft zugeht. Bei den kurzen Szenen handelt es sich allerdings nicht um eine naive Wiedergabe von Befindlichkeiten; bereits dadurch, dass Zhou Tiehai die Episoden mit den Stilmitteln des schwarz-weißen Stummfilms präsentiert, entsteht ein Bruch – durch die Mühen der Filmfiguren, mit ihrer Kunst in ihrem Umfeld, ihrer Stadt und auch in der bedrohlichen Welt jenseits der chinesischen Grenzen zu überleben, wirken die Episoden wie Erzählungen aus einer vergangenen Epoche, auf die wir nunmehr mit ironischem Abstand oder Nostalgie zurückblicken. Die Szenen selbst sind jedoch genaue Beobachtungen des zeitgenössischen Kunstsystems: Wenn Zhou Tiehai das Kunstgeschehen als militärische Krise inszeniert oder in einen melodramatischen Einzeiler fasst – „I’ll take part in any exhibition you have!“ –, findet er treffende Allegorien für Kunst und Leben zwischen Strategie und Alltag. (JB) Press Conference, 1997 Zeitgenössische Kunst aus China wurde um die letzte Jahrtausendwende zur begehrten Ware und zum populären Schauobjekt; ihre Werke waren dank poppiger oder provokanter Ästhetik schnell vermittelbar und zeugten von einem kritischen Selbstbewusstsein, das in der internationalen Kunstszene als Beispiel einer sehr aktuellen und zugleich „anderen“ Kunst bereitwillig angenommen wurde. Der Markt und die Möglichkeiten, international ausgestellt zu werden, wurden dennoch auch für chinesische Künstler durch Machtverhältnisse geregelt, die keineswegs von Gleichwertigkeit und Transparenz zeugten. „The relations in the art world are the same as the relations between states in the post Cold War era“, proklamierte Zhou Tiehai 1997 vor Flaggen aus aller Welt, während auf einem Schaubild und in einer Presseerklärung die Wertschwankungen der Aktie „Zhou Tiehai“ nachvollzogen wurden; nach anfänglicher und kurzfristiger Begeisterung europäischer Investoren hatte sich der Kurs weitestgehend stabilisiert, und wird auch in Zukunft eine gute Anlage bleiben. Mit einer späteren Serie, in der er „Camel Joe“, die Werbefigur der gleichnamigen Zigarettenmarke, in klassische europäische Malerei implantierte, war Zhou Tiehai in der Tat auf den meisten internationalen Ausstellungen chinesischer Kunst und in den entsprechenden Sammlungen vertreten. In Press Conference macht er deutlich, wie sehr die globale Kunstszene trotz ihrer emanzipatorischen Ideologie durch die Strategien – und die Willkür – des Marktes bestimmt wird. (JB) Will/We Must, 1996 Press Conference, 1997 |