ZKM | Museum für Neue Kunst, 17.09.2011 – 05.02.2012
 
Xu Bing

*1955 in Chongqing (CN), lebt und arbeitet in New York (US) und Peking (CN)

Telephone, 1996–2006

Das Prinzip von Xu Bings Arbeit ist so einfach wie humorvoll und klug. Bei dem beliebten Spiel Stille Post (englisch telephone) werden kurze Nachrichten flüsternd von einer Person zur nächsten weitergegeben – oft bis die ursprüngliche Botschaft groteske Formen angenommen hat. In Telephone liegt ein langer Weg zwischen zwei chinesischen Texten: Xu ließ einen Ausgangstext, entnommen aus einer Studie der Literaturwissenschaftlerin Lydia Liu, die sich bezeichnenderweise mit dem Transfer von Ideen, Worten und Artefakten über kulturelle Grenzen hinweg beschäftigt, ins Französische übersetzen; vom Französischen wiederum ins Russische, ins Deutsche, ins Spanische, ins Japanische, ins Thailändische und von dort wieder ins Chinesische. Die Unmöglichkeit der bedeutungsgleichen Übersetzung wird in diesem Versuch über die Sprache auch formal angezeigt: In der englischen Fassung sind Korrekturvermerke eingezeichnet; in der französischen sind einzelne – vielleicht nur schwer zu übersetzende – Passagen hervorgehoben. Jeder Text ist zudem von den Übersetzerinnen und Übersetzern unterzeichnet und mit Datum versehen. Die einzelnen Blätter unterschiedlichen Materials werden so zu einem signierten Unikat, einem Kunstwerk.
Xu Bing, als Wanderer zwischen den Kulturen, stellt mit Telephone also nicht nur die Frage nach den Grenzen der Sprache und dem zwangsläufigen Missverständnis. Er gibt auch zu bedenken, dass Kunst ebenso an ihre Grenzen stößt, selbst wenn sie sich an einigen Stellen durchlässig für unterschiedlichste Interpretationen zeigt. Vielleicht wird Xus Werk auch deshalb sowohl im Kontext chinesischer Traditionen als auch im Zusammenhang mit zeitgenössischer Konzeptkunst westlicher Prägung gezeigt. (KB)

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Telephone
, 1996-2006