* 1970 in St. Petersburg (RU), lebt und arbeitet in Wien (AT)
Kremlin Doppelgänger, 2008–2009
Aufgewachsen in St. Petersburg, wurde Anna Jermolaewa im Jahr 1989 aufgrund ihrer redaktionellen Tätigkeit für die Zeitschrift Demokratische Opposition verfolgt und verließ Russland daraufhin – seither lebt und arbeitet sie in Wien. In ihren meist dokumentarisch angelegten Videoarbeiten spiegelt die Künstlerin die alltäglichen, vermeintlich stabilen Dimensionen unserer Wirklichkeit und enthüllt über den Einsatz verschiedener filmischer Mittel deren doppeldeutige, absurde und skurrile Seiten. Mit der hier gezeigten Fotoarbeit Kremlin Doppelgänger nimmt Jermolaewa das Symbol der russischen Staatsmacht in den Blick, das immer noch durch pompöse Militärparaden weltweit in den Medien präsent ist. Dem geschichtsträchtigen Roten Platz in Moskau stellt die Künstlerin seine nahezu perfekte Kopie zur Seite: das Kremlin Palace Hotel in Antalya in der Türkei, das besonders bei russischen Urlauberinnen und Urlaubern äußerst beliebt ist – all-inclusive lässt es sich hier in nostalgischer Umgebung genüsslich planschen, sonnen, schlemmen oder shoppen. Im gleichnamigen Video erscheint gar Michail Gorbatschows Doppelgänger am Pool und berichtet über sein Leben in der Politik – jeden Morgen bringt der pensionierte Ingenieur mit der Schablone sein Muttermal auf der Stirn an. Jermolaewa eröffnet einen Dialog zwischen Realität und Fiktion, zwischen dem historischen Monument und seiner Reproduktion, die mit gänzlich anderen Inhalten und Werten gefüllt ist. Damit verweist sie auf die Mobilität, Umdeutung und Austauschbarkeit kultureller oder nationaler Ideen und deren Ikonen in der Ära der Globalisierung sowie die generelle Fiktivität von Geschichte. Am Ende scheint fraglich, ob der symbolische Ort im Original oder seine Kopie die unheimlichere Erscheinung ist. (AM)
Kremlin Doppelgänger, 2008–2009
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